
Damals in der DDR …
Ihr seht auf diesem Foto meines damals noch roten Wagens ein renoviertes Gebäude in der Kleinstadt Hoym in Sachsen Anhalt.
In diesem, damals zerfallenem, grauen Gebäude, spielte sich ein Teil meines Lebens ab, denn in diesem Gebäude befand sich zu DDR-Zeiten ein HO-Schuhgeschäft welches u. a. von meiner Oma Erika geführt wurde.
Noch heute bekomme ich sofort „Flashbacks“ sobald ich auch nur ein Geschäft betrete in dem es nach Lederschuhen oder Taschen riecht. Ich erinnere mich an jede einzelne Bodenfliese (mehr zum Thema Aspergersyndrom gibt es hier), jede eingeritzte Kerbe im uralten Schreibtisch im kleinen, engen, dunklen Büro, jedes Loch im abgebröckeltem Mauerwerk, jeden kalten Wintermorgen an denen erst einmal die Öfen angeheizt wurden und man die ersten Stunden dick angezogen sein musste. Woran ich mich aber am meisten erinnere sind zwei Dinge …
Jeden Dienstag bekam das Schuhgeschäft neue Ware. Ein LKW fuhr rückwärts Richtung Eingangstürstufe. Der Fahrer öffnete die Plane, stieg auf die Ladefläche und warf die Pakete in den Laden hinein. Sie landeten auf dem glatten Fliesenboden und rutschten bis ans andere Ende! Hier entstand mein Berufswunsch: Kurierfahrer!
Die zweite Erinnerung schießt mir in den Kopf sobald ich ein Telefon klingeln höre. Das Schuhgeschäft befand sich in Hoym. Hoym liegt unweit der Stadt Frose. Frose und die gesamte Umgebung hatten damals eine gemeinsame Vorwahl. Sobald das graue, alte, DDR-Telefon mit Wählscheibe klingelte, ging meine Oma heran und meldete sich mit …
„Frose460…???!!!“
… was sich aus der Vorwahl und der Telefonnummer 460 zusammensetzte.
In Erinnerung an meine geliebte Oma habe ich u. a. diesen Blog danach benannt. Fahre ich ins Harzvorland zur Familie, besuche ich immer das Schuhgeschäft, in dem heute ein Waffenladen ist, sowie das alte Wohnhaus (ein ehemaliger Bauernhof, der heute sehr heruntergekommen ist) im Badstuben 20. Dort übernachte ich dann auch in meinem Bus mit Blick auf den alten Garten, in dem noch heute die alte Schaukel steht, auf der schon meine Mutter als Kind ihren Spaß haben durfte.


Im Jahr 1997 verstarb meine geliebte Oma nach sehr langem Krebsleiden.
Es gibt kein Ausspruch „Frose 460?!?“ mehr, denn der Schuhladen ist Vergangenheit!
Es wird samstags kein Kuchen mehr gebacken!
Es werden auf der alten Bank vor dem Haus Badstuben 20 in Hoym keine Bohnen geschnippelt oder Erbsen geschält!
Man trifft sich nachts um drei bei Gewitter nicht mehr auf der Treppe des Mietshauses um sich über die Angst hinweg zu schnattern.
All dies und noch viel mehr ist Geschichte!
Meine Oma hatte ihre erste Rentenauszahlung nicht mehr erlebt, jedoch noch mitbekommen, dass ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte.
Nach ihrem Tod (einen Zusammenhang möchte ich jetzt nicht herbei reden) gab es keine Momente mehr, in denen sie hätte stolz auf mich sein können! Zumindest trage ich viele Erinnerungen in meinem Herzen …